Abensberg.de Aktuelles Der Adventskranz

Der Adventskranz

Verfasser Veröffentlicht von Madleen Böhm
Datum der Veröffentlichung 10.12.2025
Der Adventskranz
Eine Betrachtung aus kulturwissenschaftlicher Perspektive

Wenn Ende November die Tage kürzer werden, die Luft nach Tannengrün duftet und das erste Kerzenlicht auf dem Tisch flackert, beginnt für viele Menschen die schönste Zeit des Jahres: die Adventszeit. Woche für Woche wird eine weitere Kerze entzündet, bis schließlich vier Lichter leuchten und das Weihnachtsfest ganz nah ist. Der Adventskranz gehört für viele Familien so selbstverständlich zur Vorweihnachtszeit wie das Plätzchenbacken und die Weihnachtsmusik. Jedoch stellen sich verschiedene Fragen bei so etwas Selbstverständlichem: Woher kommt der Brauch überhaupt? Wer hat ihn erfunden? Seit wann gibt es ihn?

Wer die letzte Frage mit „schon immer“ oder „schon lange“ beantwortet, liegt falsch. Während einzelne Elemente des Kranzes, wie z.B. die Form, die grünen Zweige oder das Kerzenlicht, schon länger symbolische oder rituelle Funktionen erfüllen, ist die Tradition des Adventskranzes, so wie wir ihn kennen, recht jung. Ein Brauch ist keine Gegebenheit, sondern ein Prozess, und im Falle des Adventskranzes, ein Vorgang der Innovation. Denn erst durch das Zusammenführen der einzelnen Elemente sowie das Hinzufügen einer kalendarischen Funktion entstand eine Art Adventskranz, der dem heutigen ähnlich ist.

Seinen Ursprung hat der Adventskranz im 19. Jahrhundert. Der evangelische Theologe Johann Hinrich Wichern leitete damals in Hamburg ein Waisenhaus, das sogenannte Rauhe Haus. Um den Kindern das Warten auf Weihnachten zu erleichtern, baute er 1839 ein großes Holzrad, geschmückt mit grünen Tannenzweigen und insgesamt 28 Kerzen, 24 kleine und vier große. Jeden Tag durfte eine Kerze mehr brennen, bis das Weihnachtsfest erreicht war. Der Advent wurde so buchstäblich eine Zeit des Lichts, die Schritt für Schritt heller wurde.

Mit der Zeit verbreitete sich diese Idee, zunächst in kirchlichen Einrichtungen, später auch in den Familien. Aus einem großen Holzrad wurde ein Kranz aus Tannenzweigen, die 28 Kerzen schrumpften auf vier Sonntagslichter, und die einfache Form bekam eine festliche Gestalt. Immergrünes Tannengrün symbolisiert Leben und Hoffnung, der runde Kranz die Ewigkeit und die Kerzen stehen für das Licht, das in die Dunkelheit kommt. Eine Botschaft, die über den religiösen Raum heraus gilt.

Besonders am Beispiel des Adventskranzes wird deutlich, wie sich Bräuche verändern können, ohne ihre Bedeutung zu verlieren. Die Bedeutung entwickelt sich weiter unter den sozialen, räumlichen und ökonomischen Bedingungen ihrer Zeit. Was einst als erzieherische Idee in einem Waisenhaus begann, wurde im Laufe der Jahrzehnte ein fester Bestandteil des Alltags in der Weihnachtszeit. Der Kranz steht heute überall dort, wo Menschen gemeinsam die Wochen bis Weihnachten erleben wollen.

Der Adventskranz verbindet Vergangenheit und Gegenwart, Religion und Alltag, Gemeinschaft und Stille. Er erinnert uns daran, dass das Warten selbst eine wertvolle Zeit sein kann – eine Zeit, in der es von Woche zu Woche ein wenig heller wird.

 

Text und Bild: Madleen Böhm

Weiteres finden Sie im Adventsheft.