Gelebte Festkultur seit 1313

1313: magische Geburtsstunde

Die Wurzeln des Gillamoos liegen in einer Wallfahrt mit Markt und Messe. Zu Ehren des Heiligen Ägidius pilgerten anlässlich des Kirchweihtags von "St. Gilgen in dem Moos" immer mehr Menschen nach Abensberg. Erstmals erwähnt eine Urkunde aus dem Jahr 1313 diese Kapelle, die nachweislich bis zur Säkularisierung 1813 westlich der Stadt stand. Die Siegenburger errichteten drei Jahre später ihren Kirchturm mit Steinen des abgebrochenen Filialkirchleins.

Um den christlichen Wurzeln des Gillamoos zu gedenken, beschloss das Komitee, an historischer Stelle die Kapelle zum 700. Jubiläum neu zu errichten. Sie ist steinernes Zeugnis des bürgerschaftlichen Engagements, denn sie errichteten allein ehrenamtliche Helfer und sie finanzierten ausschließlich Sponsoren. 

Nothelfer & Namenspatron: der Heilige Ägidius

Ägidius erblickte im Jahre 640 das Licht der Welt – als Sohn einer reichen Familie in Athen. Der Legende nach bevorzugte er das Leben als Einsiedler in einer Höhle bei Nimes und ernährte sich von der Milch einer Hirschkuh. Als der Westgotenkönig Wamba im Zuge einer Jagd auf diese Hirschkuh zielte, stellte sich Ägidius schützend vor die Hirschkuh – der Pfeil verwundete ihn schwer. Daraufhin bekam Wamba jedoch ein schlechtes Gewissen und er genehmigte Ägidius schließlich den Bau eines Klosters. Um 680 gründete Ägidius die spätere Benediktinerabtei „Saint Gilles“, der er als Abt bis zu seinem Tod vorstand. Seit dem neunten Jahrhundert verehren Christen ihn als Heiligen. Er ist der Schutzpatron der stillenden Mütter, der Jäger, Hirten, Schiffbrüchigen, Bogenschützen, des Viehs, des Holzes, des Waldes, der Aussätzigen und Bettler.

Die Saint Gilles - Connection

Begraben ist der Heilige im südfranzösischen Saint Gille (Gard). Auf Initiative des damaligen Kulturreferenten Martin Neumeyer entwickelte sich durch eine Fahrt nach Saint Gilles zu Ägidis Grab im Jubiläumsjahr 2013 eine intensive Freundschaft mit der französischen Kleinstadt. Saint Gille und Abensberg besiegelten diese 2016 durch die offizielle Partnerschaft. Damit ist sie nach dem griechischen Parga und dem italienischen Lonigo Abensbergs dritte offizielle Partnerstadt.

Der Ägidiustag ist der 1. September. Der Heilige Ägidius heißt auf Französisch Saint Gille, daraus leitet sich die Bezeichnung St. Gilgen ab. Der Name der Abensberger Kapelle „St. Gilgen am Moos“ verschliff über die Jahrhunderte zur Bezeichnung Gill-a-moos.

1491, 1580, 1637: schriftliche Quellen

Die erste urkundliche Erwähnung des Jahrmarktes stammt aus dem Jahr 1491 und findet sich in Abrechnungen des Pfleggerichts Abensberg. Das Pfleggericht war von 1500 bis ins frühe 19. Jahrhundert in Bayern und Österreich eine gängige Verwaltungseinrichtung und damit Vorläufer der heutigen Kommune.

Die erste überlieferte Marktordnung aus dem Jahr 1580 beinhaltet aussagekräftige Informationen. Der Gillamoos war bereits von der Kapelle St. Gilg am Moos auf die Kälberrötz umgezogen, den heutigen Veranstaltungsort. Das Kirchweihfest scheint etwas in den Hintergrund gerückt. Möglicherweise war der Platz an der Kapelle sei zu klein oder zu sumpfig gewesen, um den Besuchermassen noch gerecht zu werden. Bis heute beruht der Gillamoos auf einer Marktordnung (Link) und ist deshalb ein Jahrmarkt und kein Volksfest. 

Der erste Beleg für die Bezeichnung Gillamoos datiert 1637, genau auf den ersten September. Ein Weltenburger Abt vermerkt in seinem Bericht, dass er auf dem Gillamoos 4 Gulden verzehrt habe. Eine geradezu stattliche Zeche!

Blütezeit des Viehmarktes

Im 19. Jahrhundert erlebt der Viehmarkt seine Blütezeit. Er war ein landwirtschaftliches Großereignis mit Pferde-, Fohlen-, Ochsen-, Kuh-, Jungrinder- und Schweinemarkt. Eindeutig größer als der Gallimarkt in Mainburg und der Barthelmarkt in Oberstimm, war er damals der größte und bedeutendste der Hallertau. 1896 trieben die Viehhändler zum Beispiel insgesamt 490 Ochsen, 170 Kühe, 80 Pferde und 75 Schweine auf.

Arme Frauen gingen mit Melkeimern von Händler zu Händler und baten darum, für ein „Vergelt´s Gott“ die Kühe melken zu dürfen. Da die Kühe während des Zutriebs nicht gemolken wurden und die jeweiligen Händler während des Gillamoos nicht melken konnten oder wollten, erwies sich diese Dienstleistung zum Vorteil aller Beteiligten.

Mit dem Bau der Eisenbahnstrecke 1874, der Errichtung von Schlachthöfen und dem Aufkommen des Traktors verloren die Viehmärkte allmählich an Bedeutung. Heute konzentriert sich der Viehmarkt verstärkt auf Kleintiere und Reitsport.

Vom billigen Jakob - Warenmarkt

1860 ist der Gillamoos einer der größten Märkte Niederbayerns. Die Händler kamen aus ganz Bayern. Zu dieser Zeit tritt der billige Jakob auf, der seine Haushaltswaren lauthals, witzig und als äußerst günstig anpreist. Sein Name leitet sich von den Jakobimärkten ab, die am Gedenktag des Heiligen Jakobus (25. Juli) veranstaltet werden. Bis heute ist der Warenmarkt fester Bestandteil des Gillamoos.

Ein Prosit! Zelte & Buden

Ursprünglich waren der der Ausschank von Getränken und der Verkauf von Speisen getrennt. Metzgereien hatte Garküchen aufgebaut und verkauften Würste, Suppen und Rindfleisch. Erst um die Jahrhundertwende gewannen die Bierzelte langsam die Vormacht gegenüber den Punsch-, Wein- und Cafebuden. Das Bier kam nicht nur aus Abensberg sondern auch aus München, Ingolstadt oder Kelheim. Erst nach dem 1. Weltkrieg etablierten sich große Festzelte mit festem Boden und geschlossenen Seitenwänden. 

Schaulust! Schaustellerei im Aufwind

Langsam treten die neuen, einst hochmodernen Festelemente auf: klassische Schaustellerei gewinnt an Bedeutung, die ersten Fahrgeschäfte bereichern das Angebot und die Bierbuden setzen sich gegenüber den Punsch- und Kaffeebuden durch. Der Gillamoos wird zu einer Freizeitveranstaltung, die weit über die Grenzen des Umlands hinaus bekannt ist.

Gegen Ende des 19. Jahrhundert treten vermehrt sensationelle oder gruselige Darbietungen auf. Franz Xaver Osterrieder etwa hielt fest: „Ab 1885 mehrten sich die Wachsfigurenkabinette. Alle Folterwerkzeuge des Mittelalters in ihrer Anwendung waren zu sehen, selbst die „Eiserne Jungfrau“ in Nürnberg. Jeder bedeutende Raub- oder Lustmörder war naturgetreu in Wachs nachgebildet, zum mindesten der Kopf des Enthaupteten oder Gehängten.“

Um 1900 erscheint der Kinematograph als der letzte Schrei, in den 20er Jahren lösten ihn dann Kino-Theater Vorführungen ab. Klassische Schaustellungen sind heute teilweise aus der Mode gekommen. Weder bringt der „Elektro John“ Glühbirnen mit dem Mund zum Leuchten, noch zeigen Cinematographen „Maria Stuart“. Das Kasperltheater der Familie Richter allerdings, das ist heute genauso beliebt auf dem Gillamoos wie Ende des 19. Jahrhunderts.

Historische Zeitungsanzeigen

Kurioses, Sensationelles und jede Menge Exotik: Bis weit in das 20. Jahrhundert erfreute sich diese Faktoren der klassischen Schaustellerei hoher Beliebtheit.

Rausch der Geschwindigkeit - Fahrgeschäfte

Laute Musik, blinkende Lichter und die immer präsente Geschwindigkeit sind zentrale Elemente des Gillamoos. Karussells tauchten erstmals vor rund 150 Jahren auf. Aus den frühen Formen, wie dem Bodenkarussell, entwickeln sich bis in die 1930er Jahre das Kettenkarussell oder das russische Hochrad, ein Vorgänger des Riesenrads. Das wachsende Bedürfnis nach dem Rausch der Geschwindigkeit führte im 20. Jahrhundert zu zahlreichen neuen und immer schnelleren Fahrgeschäften. Vormals „supermoderne“ Fahrgeschäfte wie die „Münchner Zugspitzbahn“, das „Allround“ oder die „Wilde Maus“ umweht inzwischen ein Hauch Nostalgie. Unsere Marktmeister legen bei der Auswahl großen Wert darauf, Bewährtes mit Neuem zu verbinden.

Das Wirken des Abensberger Stadtverbands

Dem Abensberger Stadtverband verdanken wir, dass der Gillamoos so ist, wie wir ihn heute kennen. Drei Festwirte traten 1971 an den frisch gewählten Bürgermeister Alfons Kistler heran. Sie forderten den Gillamoos um einen Tag (Donnerstag) zu verlängern, einen gemeinsamen Festauszug mit offiziellem Bieranstich am Freitag zu organisieren und den Montagabend zu beleben. Die Lösung dieser Probleme übertrug Kistler auf ein recht junges und engagiertes Komitee: den Abensberger Stadtverband.

Es schlug die Geburtsstunde des Holzsägens, des Auszuges, des offiziellen Anstichs sowie der Dirndlköniginnenwahl. Unter der Leitung Hans Leidls etablierte der Stadtverband seine Veranstaltungen in den folgenden Jahrzehnten zu unverzichtbaren Elementen des Jahrmarkts. Nach zahlreichen Ehrungen und Auszeichnungen zog er sich 2016 als aktiver erster Vorsitzender zurück. Der neue Vorstand ernannte ihm zum Ehrenvorsitzenden. 

Mädchen & Bär - der Gillamoos und sein Motiv 

Der Abensberger Künstler Ferdinand Kieslinger schuf 1972 im Auftrag des damaligen Bürgermeisters Alfons Kistler das Gillamoosmotiv und gab dem Jahrmarkt damit ein unverwechselbares Erkennungszeichen. Die fortwährende Verwendung des Motivs verstehen wir als Hommage an einen der Bedeutendsten Künstler der Region.

Richarda Blank erzählte uns, dass sie Anfang der 70er Jahre als Lehrmädchen beim ersten Vorsitzenden des Stadtverbands – Georg Westermayer – arbeitete. Dieser regte damals an, ein Plakat für den Gillamoos zu erstellen. Er ließ sie einen ersten Entwurf fertigen, der bereits eine Kombination aus Mädchen und Bär gezeigt habe. Familienmitglieder des Künstlers identifizieren das Motiv als Kieslingers Tochter mit ihrem Teddybären, der bis heute im Familienbesitz ist.