Da sieht man erst wie reich alle Menschen sind, wenn alles normal ist

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Isabella Richter über das Leben als Reise, den Kasperl und die Sehnsucht nach dem Gillamoos

Isabella Richter ist Schaustellerin mit Leib und Seele. Derzeit steht ihre Crêperie in der Straubinger Innenstadt, direkt neben dem Bruder Straubinger. Dem hat sie ein Herzerl umgehängt und einen Mundschutz verpasst. „Das ist meine tägliche Ein-Mann-Demo“, sagt Isabella und lacht. Das Lachen, das hat sie noch nicht verlernt, trotz aller Machtlosigkeit angesichts der Pandemie.

Den ganzen Tag zuvor hatte es geregnet, es war kalt wie sonst vielleicht im Herbst. Isabella fror im Imbissstand seit Stunden. Nach Feierabend kaufte sie sich beim Laden um die Ecke extradicke Wollsocken. „Dann bin ich schnell heim und gleich in den Wohnwagen. Da habe ich mir Feuer im Ofen gemacht und der Regen prasselte so schön auf das Dach, das mag ich so gerne ...“

Du gehst also heim in den Wohnwagen obwohl euer Haus danebensteht?!
Ja klar, jetzt ist er ja wieder da! (Strahlt). Der Wohnwagen war heuer sehr viel länger eingewintert als sonst. Seit ich vor 55 Jahren im Wohnwagen zur Welt kam, haben wir alljährlich eine relativ konstante Tour absolviert. Mit den ersten Frühlingsfesten geht es immer los, bis nach dem Gillamoos der Cannstatter Wasen den Saisonabschluss darstellt. Erst 1972 kaufte unser Vater das Haus in Oberpiebing, den Winter verbringen wir seither dort. Wir waren Wanderschüler, was der immer gleiche Kreis, den wir bereisten, schon stark erleichterte und natürlich, dass wir gescheite Kinder waren (lacht). Aber heuer ist alles anders ... Die Krise war erstmal ein Schock. Wir ließen den Fuhrpark in den Hallen, haben den TÜV und die ganzen anderen Checks nicht machen lassen, die Ruheversicherung fortgeschrieben. Ich musste meinen beiden tollen Studentinnen kündigen, was mir besonders leidtat, weil wir uns so auf die Saison gefreut hatten. Mir fehlten die ganzen sozialen Kontakte total, ich habe mir gedacht, da sieht man erst wie reich alle Menschen sind, wenn alles normal ist.

Irgendwann sagte meine Mama: „Kinder, lasst uns mal wieder übers Land fahren, ich möchte endlich wieder was sehen!“ Ja, und dreimal darfst du raten wo wir dann hingefahren sind? (Lacht).

Zur Gillamooswiese?
Ja, genau! Dort angekommen, waren wir dann scho a bisserl wehmütig. Wir sind einfach ganz gern am Gillamoos. Wir reisen direkt vom Gäubodenfest hin, deshalb sind wir früher da, als viele andere. Wenn die ersten Besucher während des Aufbaus über die Wiese laufen, sind wir schon da. Die kleinen Kinder, die mit ihren Eltern vorbeigehen, wissen schon ganz genau: „Da steht dann der Kasperl und da der Schießstand!“ Wir treffen Familienfreunde und gehen zum Jungbräu zum Essen. Dann bestelle ich beim Achtner mein Obst und meine Eier, und wenn ich zum Schwarzbeck reingehe, sagt die Chefin nur: „Mei du wieder mit deine drei Semmeln!“ Der Kasperl sagt immer „Jetzt schau i vor zum Kuchlbauer, ma sigt si auf‘m Gillamoos!“ (Lacht). Und so ist es auch! In dem Sinne ist er was Besonderes, weil die Leute jeden Tag kommen. Es sind Freunde, nicht einfach nur Besucher, man spürt da eine gewisse Verbundenheit. Sie kommen als Kinder und dann mit ihren Kindern, das Ganze lebt von Menschen, die man kennt. Letztes Jahr hatte ich mir den Fuß gebrochen. Für die einen war es da sofort selbstverständlich, dass sie für mich einkaufen gehen. Eine Friseurin brachte mir einen Stuhl mit Rollen, damit ich in meinem Stand wieder etwas mobiler werde. Sowas freut mich einfach sehr. Und wir haben so unsere Rituale, am Gillamoosmontag gibt es traditionell Pichelsteiner – einmal hat einer den Gemüsekorb gestohlen, der am Tisch vor dem Wohnwagen stand. Vielleicht war das der Räuber Allesknappsn? (Lacht).

Am Freitag in der Früh, wir sind ja alle Frühaufsteher, da kommen immer die Dirndlköniginnen. Der Kasperl bekommt den Gillamooskrug geschenkt und ein Erinnerungsfoto. Dieses Foto wird jedes Jahr gerahmt. Sie stehen auf der Vitrine im Wohnwagen – der Gillamoos geht also mit uns auf Wanderschaft! Das ist doch toll, oder?

Ein ganzes Leben auf Wanderschaft. Wenn wir im Ort gefragt werden: Wo kommt ihr denn her? Dann sagen wir immer: Wir sind vom Gillamoos. Oder wir sind von der Maidult usw. Auch die Mama stammt aus einem großen Schaustellerbetrieb, sie ist eine gebürtige Endres. Sie hat schon mit 13 Jahren für alle gekocht. Sie lernte alles von der Pieke auf: Haushalt, Buchführung, ein Geschäft leiten, mit allem was dazu gehört. Es ist schon ein harter Beruf, teilweise über 18 Stunden am Tag. Wenn wir um 24:00 Uhr zusperren, dann räumen wir noch zwei Stunden auf und putzen alles picobello. Um 7:00 Uhr geht es dann wieder weiter mit den Vorbereitungen, damit alle um 10:00 Uhr ordentlich im Stand stehen. Wir arbeiten viel mit Studenten, die sind gut in die Familie integriert und sie sagen immer: „Mei is des a anstrengender Beruf, wie macht ihr das, wann habt ihr mal Zeit für was Anderes?“ Aber man kann das nicht trennen, wir leben unseren Beruf. Das Schaustellersein wird einem in die Wiege gelegt, man muss das im Blut haben. Unsere Stärke ist der Familienbetrieb, der Zusammenhalt, uns gibt es nur im Fünfer-Pack (lacht). Einmal sind wir einen Transport gefahren, unsere Eltern wollten gutes Bier. Da haben wir ein Taxi angerufen: „Da Kasperl hat Durscht!“ Sofort wurde uns kaltes Bier gebracht - sowas macht alle Sorgen wieder vergessen.

Und wie geht es weiter?
Der Seele geht es gut, wenn man das tut, was man gerne tut, das fehlt sehr. Dann kam der Anruf aus Grafenau, dass das kleine Volksfest to go stattfinden kann und von jetzt auf gleich ging’s doch wieder los, schnell noch TÜV prüfen, BG, Versicherung usw. und dann: Hurra es geht auf Reisen!

Wir nehmen die Umstände an und machen das Beste draus. Wenn Lockerungen kommen, dann sind wir wieder da. Wir sind bereit, von A nach B in kürzester Zeit, das können wir. Jetzt steht der Stand in Straubing, aber das bringt eher mental was denn finanziell. Das geht nur ohne Standgebühren und auch nur, wenn ich selber im Stand steh. Zum Befüllen des Standes brauche ich ca. 60 Artikel, und ich will alles bieten, wie es die Leute gewohnt sind, und natürlich alles frisch. Die Resonanz der Leute ist sehr gut, sie sind dankbar für Abwechslung im Alltag. Viele kommen ganz gezielt zum Stand und fragen wie es uns geht, dass sie immer an uns denken. Das macht uns Mut - von den Besuchern werden wir jedenfalls nicht alleine gelassen. Die Mama sagt immer: „Hauptsache wir sind beieinander und gesund. Alles andere kann man schaffen im Leben, zusammenhalten ist das Wichtigste.“ Als Schausteller sind wir flexibel, den Kopf in den Sand stecken ist nicht! Derzeit ist es wie in einem Kriminalstückl, samma gespannt wie es weitergeht. Sie zeigt auf die Aufschrift ihrer Maske vom Schaustellerverband: #wirkommenwieder. Wir können nicht anders. Hauptsache wieder da, alles andere machen wir dann schon. Wir hoffen, dass es so ist wie im Kasperltheater: Am Ende geht alles gut aus.

 

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