Fachkräftemangel wird sich vervielfachen

Fachkräftemangel wird sich vervielfachen

Fachkräftemangel wird sich vervielfachen

Tipps vom Experten beim Abensberger Unternehmerfrühstück.


Der Fachkräftemangel wird sich in Deutschland massiv verstärken. Tim Hemzal, Rekrutierungsstratege aus Amberg, riet beim Abensberger Unternehmerfrühstück am Samstag (28. Januar 2023) dringend, die klassische Mitarbeitersuche zu überdenken. Zwar seien viele Unternehmen digital aktiv, auch in den sozialen Netzwerken: „Aber was man da sieht, ist chaotisch.“ Und geht am Ziel – einen potentiellen Mitarbeiter neugierig zu machen – vorbei. Hemzal sprach auf Einladung der Stadt Abensberg, die unter dem Dach der städtischen Volkshochschule zum Jahresanfang traditionell Unternehmer aus Abensberg und der Region zum Unternehmerfrühstück einlädt. Rund 80 Gäste waren der Einladung ins BMW Autohaus Hofmann nach Abensberg-Gaden gefolgt.
 

Hemzal irritierte gleich zu Beginn – er unterbrach seine eigene Begrüßung, auf seinem Handy landete eine Nachricht: „Oh, man verspricht mir einen neuen Job, der sicher ist, es gibt kostenfreie Parkplätze und ein super Team.“ Damit wandte er sich ans Publikum: „Das war’s? Wenn Sie so für sich werben, war‘s das wirklich.“ Bei kleinen und mittelständischen Unternehmen werde jedes vierte vom Markt verschwinden, wenn es sich nicht rechtzeitig mit vernünftiger Mitarbeitergewinnung beschäftigt, so Hemzal. „Derzeit fehlen 900.000 Fachkräfte, die Zahlen werden sich verachtfachen.“ Klassische Anzeigen wären demnach nur noch eingeschränkt wirksam. Digitale Mitarbeitergewinnung werde vielfach probiert, aber das Ergebnis ist für ihn ein Chaos: „Wechselnde Schriftarten, in der Ansprache mal Du, mal Sie, dazu schlampige Sätze, und gerichtet ist es an 25-Jährige mit 20-jähriger Berufserfahrung. Wen wollt ihr damit erreichen?“

Kein Rap-Video für Bank-Azubis
Sein Rat: „Erstellt eine Person, die ihr haben wollt.“ Das Ergebnis sei, so Hemzal auf den ersten Blick seltsam: „Je spezieller diese fiktive Person ist, desto besser sind Ihre Aussichten auf erfolgreiche Bewerbungen.“ Diese Person vermittelt dann die Vorzüge des Unternehmens – Beispiel: „Arbeitszeiten, die zu Deinem Leben passen.“ Das geht auch mit realen Mitarbeitern, natürlich – wenn die mitmachen, umso besser. Aber, Achtung: „Übertreiben Sie nicht. Mit Rap-Videos holen Sie sich keinen Bank-Azubi, auch wenn der Beitrag massenhaft geteilt wird.“ Das Bild müsse zum Unternehmen passen: „Falsche Benefits provozieren falsche Bewerbungen.“ Die richtigen Vorzüge eines Betriebs müssten passgenau vermittelt werden. Vielfach vergessen werde außerdem, dass 70 Prozent aller Arbeitnehmer unzufrieden oder offen für Neues sind. „Die müssen Sie auch ansprechen, die wollen ja arbeiten. Laut Statistik machen das aber nur fünf Prozent aller Stellengesuche.“ Ähnlich schwach sei die Ansprache an Mütter, die wieder ins Arbeitsleben zurückkehren wollen.
 
Unbedingt schnelle Bewerbung ermöglichen
Digitales Werben auf welcher Plattform? Das kommt auf die Zielgruppe an. Auf jeden Fall rät er zur Handyfreundlichkeit: „Ihr Stellengesuch muss für das Handy optimiert sein!“ Und: „Es muss möglich sein, sich vom Handy aus in zwei Minuten zu bewerben. Der Erstkontakt muss leicht sein, sonst kommt die nächste Nachricht, und Sie sind mit Ihrem Stellenangebot weg.“ Bewerbungen per Email einzufordern sei nicht mehr zeitgemäß. Als langfristige Strategie empfahl Hemzal, „von der Zielgruppe für die Zielgruppe“ Inhalte produzieren zu lassen. Und: Testen, testen, testen.“ Zum Abschluss riet er, das Thema Rekrutierung in die Endpreise einzukalkulieren. „Sie brauchen zehn bis 20 Prozent der Brutto-Personalkosten künftig für die Rekrutierung. Es wird härter.“
 
Juniorchef erzählt von den Anfängen
Abensbergs 1. Bürgermeister Dr. Uwe Brandl unterstrich in seiner Begrüßung, wie dringend die Thematik sei. „Mir sagen Leute im Bewerbungsgespräch, dass sie den Job gar nicht nötig haben.“ Und: „Die work-life-balance wird überbordend gespielt.“ Dazu sind Lieferkettenprobleme gekommen, Preissteigerungen, Energieturbulenzen – er warnte vor zerstörerischen Entwicklungen. Die Stadt Abensberg stelle sich den Herausforderungen. Katrin Koller-Ferch, Leiterin der Volkshochschule Abensberg, begrüßte die Gäste zum Auftakt der Veranstaltung. Sie freute sich über deren zahlreiches Erscheinen und dankte der Familie Hofmann für die Unterstützung der Veranstaltung. Seitens der Familie Hofmann war Juniorchef Florian Hofmann mit anwesend. Er ist Geschäftsführer Sales & Marketing der Autohaus Hofmann GmbH und MINI Brand Manager sowie Leiter der Autohaus Hofmann-Filiale in Pfaffenhofen. Er erzählte aus der Familiengeschichte: „Unser Opa hat mit 17 Jahren im Zweiten Weltkrieg ums Überleben gekämpft.“ In der Schmiede der Eltern hat er damals mit Waren aller Art gehandelt – daraus entwickelte sich das Autohaus Hofmann, heute an mehreren Standorten. Für ihn geht der Trend zur Digitalisierung einher mit dem Trend zu individueller, persönlicher Beratung. Insgesamt sei „Das Hauen und Stechen am Markt“ vorbei.

Tolles Buffet vom Berufsbildungswerk
Das BMW-Autohaus in Abensberg-Gaden war nicht nur Veranstaltungsort, sondern sponserte auch das Buffet, das wieder vom Berufsbildungswerk Abensberg auf den Tisch gebracht wurde und sehr begehrt war. Abensbergs 2. Bürgermeister Dr. Bernhard Resch sorgte für das Schlusswort des Vormittags und dankte Hemzal für seine prägnanten und klaren Ausführungen zu einem Thema, das Unternehmerinnen und Unternehmer seit Jahren begleitet und immer mehr in den Vordergrund rückt.

Im Bild oben, von links: 2. Bürgermeister Dr. Bernhard Resch, 3. Bürgermeisterin Marion Huber-Schallner, Vhs-Leiterin Katrin Koller-Ferch, Juniorchef Florian Hofmann, 1. Bürgermeister Dr. Uwe Brandl und Tim Hemzal.

In der Galerie: Das Vortragspublikum, Tim Hemzal, die Vertreter der Volkshochschulen Abensberg und Neustadt, von links: Melanie Schmid, Katrin Koller-Ferch, Christiane Tuscher, Laura Harroider und Andrea Holzapfel. Im nächsten Bild Ausbilder Markus Kartmann mit den Azubis vom Berufsbildungswerk Abensberg: die angehenden Fachkräfte für Gastronomie – hier Schwerpunkt Restaurant - sind am Arbeitsmarkt sehr begehrt. Im folgenden Bild Christian Gibis von der Berufsvorbereitung am BBW (links) und Ausbilder Siegfried Wagner (mi.) mit den Auszubildenden, die Köchin und Koch werden wollen. Auch sie sind sehr begehrt am Arbeitsmarkt - und wer das Buffet kostete, wusste auch, warum.

Alle Fotos: Günther Hauke, Abensberg.

 



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Veröffentlicht von Ingo Knott , 09.02.2023
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